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Buchtipps


Meine, zugegeben, subjektive Auswahl an Büchern, die ich als Lektüre empfehlen kann. Eine Palette aus verschiedenen Bereichen - von Wirtschaft bis Philosophie, von Wissenschaft bis zu Fragen der Gesellschaft.


Denkanstöße


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15.03.2020

Die Zuhälter der Globalisierung

Loretta Napoleoni: Die Zuhälter der Globalisierung. Riemann-Verlag. ISBN 978-3-570-50090-3

Die prominente italienische Journalistin enthüllt in ihrem Buch, welche Vorteile kriminelle Netzwerke, Zuhälterringe und Mafia-Organisationen aus Ostöffnung, politischer Wende und Globalisierung in den vergangenen zwei Jahrzehnten gezogen haben. Napoleoni gilt als profunde Expertin für die Analyse internationaler Finanzmanipulationen und belegt in ihrem Buch ihre jahrelangen Recherchen mit einer Fülle von zum Teil fast unglaublichen Fakten. Sie enthüllt die Machenschaften der Russenmafia ebenso wie die Erfolgsgeheimnisse der italienischen Mafiosi oder wie die Eigenarten des islamischen Finanzsystems von gesetzlosen Profiteuren genutzt werden.

Napoleoni beschreibt unter anderem detailliert die „starke Korrelation zwischen dem Nachschub an slawischen Prostituierten und weiblicher Arbeitslosigkeit“ am Beispiel der russischen Textilregionen Iwanowo, Tscheboksary und Tschuwaschien: „Zur Sowjetzeit waren diese Gebiete als Frauenregionen bekannt. Zwischen 1990 und 1994 brach die Textilproduktion um 67 Prozent ein. Hunderttausende Frauen in den genannten Gebieten endeten in der Arbeitslosigkeit, und Zuhälter und Menschenhändler nutzten das Angebot. Heute sind diese Gebiete als Hurenregionen bekannt.“

Spannend ist die Analyse, wie seit Ende der 1980er-Jahre die als Parallelwährung neben dem Rubel eingeführte Verrechnungseinheit Besnalitschnyje die Milliardenvermögen der russischen Oligarchen wie Chodorkowski oder Abramowitsch begründet hat. Oder wie die bulgarische Mafia in den Jahren 1992 bis 1995 von dem von der UNO verhängten so genannten „Jugo-Embargo“ profitierte. Und wie und zu welchen Tarifen Netzwerke von Verbrecherorganisationen jährlich Zehntausende asiatischer Arbeiter nach Europa schleusen.

Anhand vieler exakt dargestellter Beispiele gelangt Napoleoni zur Schlussfolgerung: „Der Übergang von der Wirtschaft im Kalten Krieg zur Marktwirtschaft hatte zur Folge, dass weite Gebiete der Welt sich selbst überlassen blieben. In dem neu geschaffenen politischen Niemandsland … war es für Organisationen mit einem starken geografischen Netzwerk leichter, die Gewinne aus der globalisierten Marktwirtschaft einzustreichen, indem sie ihre Netzwerke außerhalb der Grenzen des Rechts reproduzierten oder bis dorthin ausdehnten. Oft füllten sie das durch die Abwesenheit einer staatlichen Autorität entstandene Vakuum, indem sie den verschiedenen legalen und illegalen Akteuren Schutz anboten.“

Nichts für Zartbeseitete ist dieses Buch, aber eine gehaltvolle Lektüre für diejenigen, die die kriminellen Schattenseiten der globalen Welt kennen lernen wollen.



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