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Buchtipps


Meine, zugegeben, subjektive Auswahl an Büchern, die ich als Lektüre empfehlen kann. Eine Palette aus verschiedenen Bereichen - von Wirtschaft bis Philosophie, von Wissenschaft bis zu Fragen der Gesellschaft.


Denkanstöße


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15.03.2020

Streitbare Brüder

Hannes Leidinger, Verena Moritz, Karin Moser: Streitbare Brüder – Österreich : Deutschland. Residenz Verlag. ISBN 978-3-7017-3180-0.

Die Geschichte der „schwierigen Nachbarschaft“ wird in diesem interessanten und kurzweiligen Buch breit gefächert beleuchtet. Von der Hermannsschlacht über die Bedeutung der Reformation und die Schlacht von Königgrätz für das Verhältnis der beiden Länder zueinander bis zum „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich 1938 und die Gegenwart reichen die Betrachtungen aus historischer, politischer, soziologischer und kultureller Sicht. Um die Mentalitätsunterschiede geht es ebenso wie um Sprache, Tradition, Tourismus und Sport – so auch um den in Österreich so legendär hochgespielten Sieg von Cordoba über Deutschland bei der Fußball-Weltmeisterschaft 1978. Zu dieser sportlichen Rivalität fragen die Autoren: „Liegt die Feindschaft zwischen Österreich und der BRD doch in Bern 1954 oder gar im Spiel der „Ostmark“ gegen das „Altreich“ 1938 begründet? Die Fußballexperten sind sich darin nicht einig.“

Dass die Rivalität tiefere Wurzeln hat, zeigt jedoch die Aufarbeitung in diesem Buch selbst. Etwa im 18. Jahrhundert, als Friedrich der Große in Preußen und Maria Theresia in Österreich regierte: „Die Nachwelt machte aus den beiden das „Idealpaar“ des preußisch-österreichischen beziehungsweise deutsch-österreichischen Gegensatzes. Dass Friedrich die junge Monarchin 1740 „überfallen“ hatte, ließ sich nach 1945 auch auf das österreichische Selbstbild, 1938 lediglich Opfer preußisch-deutscher Aggression geworden zu sein, umlegen.“

Kritisch werden die beiden Herrscher des 18. Jahrhunderts analysiert, ebenso wie die Rolle Kaiser Franz Josephs nach 1848 und schonungslos das Agieren der österreichischen Politik zwischen dem Ersten und dem Zweiten Weltkrieg. Es fehlt in dem stellenweise sehr vergnüglichen Buch nicht an der Betrachtung der Mythen, Klischees und Vorurteile, die in der deutsch-österreichischen Nachbarschaft mitspielen. Woher kommt die Abneigung vieler Österreicher gegenüber den Piefkes, weshalb blicken die Deutschen immer wieder gerne auf die Ösis hinunter? Warum war in den 1950er- und 1960er-Jahren der österreichische vom deutschen Film kaum zu unterscheiden? Wo liegen die trennenden Gemeinsamkeiten? Fragen, auf die das Buch Antworten liefert.
Eine weit reichende Spurensuche, die tiefe Einblicke in die österreichische und deutsche Seele ermöglicht.



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