KULTUR und  LEBEN
PLATTFORM ZUM WEITERDENKEN


Leben

Reden wir an dieser Stelle ein wenig über das Leben, über unsere Gesellschaft und Zukunft, über drei grundsätzliche Fragen, die wir uns stellen müssen: Ist alles tatsächlich so wie es auf den ersten Blick scheint? Was könnte sich aus dem, was heute bereits rund um uns erkennbar ist, entwickeln, in unserem Leben bevorstehen? Wie kann ich, soll ich mein Leben gestalten? Hier finden sich Denkanstöße, keine Lehrmeinungen, keine Feststellungen aus Expertenwissen heraus, sondern ganz einfach Beiträge, die zum Nach- und Weiterdenken anregen sollen.


04.08.2020

Medien, Teil 1: Alternative Fakten

Hinterfragen wir einmal diese „Fake News“, denen wir in unserer Informationswelt mittlerweile pausenlos begegnen. Nicht nur in den Wortspenden des amerikanischen Twitter-Präsidenten oder auf Transparenten verschwörungslustiger Demonstranten, wie zuletzt in Berlin, sondern auch in Zeitungsartikeln oder TV-Berichten sensationslüsterner oder manipulationsbereiter Journalisten. Eine Entwicklung, die schon seit Jahren zum Kennzeichen unserer Social-Media-Gesellschaft wurde, befeuert von einem Staatslenker, der ein seit Jahrtausenden bei machtbewussten Politikern ebenso beliebtes, wie auch geächtetes und jedenfalls nur in Diktaturen unermüdlich eingesetztes Propagandainstrument zum System seiner Machtpolitik entwickelt hat: Das mediale Spiel mit alternativen Fakten.

Fake News mag man in den sozialen Medien bloß belächeln und als Unsinn oder Verschwörungstheorie abtun – wären sie nicht gefährlicher für unsere Gesellschaft als es ein oberflächlicher Blick auf Twitter, Facebook oder Telegram vorspiegelt. Sie können in der Blase Gleichgesinnter Trends erzeugen und verstärken, die durchaus in der Lage sind, Gesellschaft und Politik an ihre Grenzen zu bringen. Das wussten schon die Nationalsozialisten, die mithilfe dieses Werkzeugs – lange vor den Social Media – Stimmungen in der Bevölkerung hervorriefen, die letzten Endes in die Katastrophe führten.

Falsche Nachrichten, die vorspiegeln, sie wären echt, hat es aber auch schon davor gegeben. Sie waren seit der Antike immer wieder ein gefährliches Instrument der Propaganda in Politik und Wirtschaft. Nur ein Beispiel aus dem 19. Jahrhundert: Als es 1870 Preußens Reichskanzler Otto von Bismarck mithilfe der berühmten „Emser Depesche“ und der mit ihr in einer Pressemitteilung transportierten Falschinformation über das Verhalten König Wilhelms gegenüber dem französischen Botschafter gelang, Frankreich zum Krieg anzustacheln. Heutzutage erscheint dieses Mittel legitimiert durch den clever gefundenen und so harmlos daherkommenden Begriff „alternative Fakten“.

Wozu sich mit realen Fakten herumschlagen, wenn es Alternativen gibt – die nur leider keine Entsprechung in der Wirklichkeit haben wie die Unzahl von Meldungen, die aus Washington in die Welt getwittert werden, in Twitter oder Facebook, auch in so manchem Boulevardmedium, wo einfach geschrieben und nicht mit Recherche Zeit vertan wird.

Wen wundert’s, dass solches möglich ist. Leben wir doch im „postfaktischen Zeitalter“, wie das honorige Kollegium der Oxford Dictionaries als Begründung für die Wahl des Wortes des Jahres 2016, eben „postfaktisch“, angab. Dieser Begriff beschreibe nämlich „wie kein anderer die gegenwärtigen Strömungen in unserer Gesellschaft“: Dass es nämlich in politischen und gesellschaftlichen Diskussionen heute zunehmend um Emotionen anstelle von Fakten geht. Und da ist der Weg zu alternativen Fakten nicht weit.

Was aber besorgniserregend ist: Dass in unserer „postfaktischen Gesellschaft“ immer mehr Menschen bereit sind, Fakten zu ignorieren und an deren Stelle sogar Lügen akzeptieren, wenn sie nur schön gefärbt und gefühlsstark aufbereitet sind. Obwohl es doch angesichts der vielen Kommunikationsmittel heute leichter als früher wäre, Fälschungen zu enttarnen. Da hat jeder für sich eine weitere Aufgabe aufgebürdet bekommen: Noch mehr als bisher Informationen zu prüfen – eine Herausforderung.

Anmerkung: Wie aus dem Titel ersichtlich, kommt nächste Woche ein zweiter Teil, denn die Rolle der Medien hat viele Aspekte.

gerfri - 23:03 @