KULTUR und  LEBEN
PLATTFORM ZUM WEITERDENKEN


Leben

Reden wir an dieser Stelle ein wenig über das Leben, über unsere Gesellschaft und Zukunft, über drei grundsätzliche Fragen, die wir uns stellen müssen: Ist alles tatsächlich so wie es auf den ersten Blick scheint? Was könnte sich aus dem, was heute bereits rund um uns erkennbar ist, entwickeln, in unserem Leben bevorstehen? Wie kann ich, soll ich mein Leben gestalten? Hier finden sich Denkanstöße, keine Lehrmeinungen, keine Feststellungen aus Expertenwissen heraus, sondern ganz einfach Beiträge, die zum Nach- und Weiterdenken anregen sollen.


23.09.2020

Medien, Teil 3: Medien-Bashing

Jetzt, wo’s angesichts der plötzlich wieder steigenden Corona-Dramatik gesellschaftlich und wirtschaftlich enger wird, sind sie wieder unterwegs – diejenigen, die vom Kern der Problematik ablenken wollen, und damit einen „Feind“ beschuldigen möchten, der sowieso Vielen „suspekt“ ist. Also: „Die Medien sind schuld“ – der Slogan leider nicht nur der radikalen Populisten. Und ein Satz, den ich schon gar nicht mehr hören kann / will. Nicht weil ich mein Berufsleben in all den verschiedenen Bereichen öffentlicher Kommunikation verbracht habe und, wenn man so will, ein „alter Medienmann“ bin. Sondern weil’s in dieser ziemlich naiv anmutenden Verkürzung gesellschaftlicher Umstände einfach so nicht stimmt. Ein paar Anmerkungen dazu im dritten und letzten Teil meiner kurzen Medien-Serie.

Den eingangs zitierten Satz habe ich also im Laufe der Jahre, ich weiß nicht wie oft, gehört – und gerade von Menschen, die keine Ahnung davon haben, wie Medien funktionieren und was man von ihnen erwarten kann. Gleichzeit aber denken, sie wüssten – als „Medienkonsumenten“, die Zeitungen lesen und Fernsehnachrichten schauen – wie die Medien arbeiten. Wobei sich auch das ohnehin im letzten halben Jahrhundert entscheidend verändert hat. Als junger Journalist hatte ich meine auf der Schreibmaschine geschriebenen Texte noch in die Setzerei der Zeitung gebracht, wo sie auf Bleisatzmaschinen (Marke „Linotype“) gesetzt und dann in Handarbeit von Metteuren in die Seitenform gebracht wurden, ehe die Zeitung gedruckt und am nächsten Tag verkauft wurde. Heute bietet das Internet publizistische Möglichkeiten für Jeden wie nie zuvor, unmittelbar, zeitnah, überall abrufbar – mit allen, zugegeben, auch Nachteilen; Stichworte: Wildwuchs, Fake News, Manipulation.

Zurück zur „Schuld der Medien“. Nein, liebe Freunde, nicht die Medien sind es, nicht der Bote der schlechten Nachricht, der einst getötet wurde, sondern, meine ich, Jene, die nicht ein Stück weiter denken und sich fragen, wo die Meldung, der Bericht denn seinen tatsächlichen Ursprung hat. Wer so denkt, wird einen Satz wie den eingangs erwähnten nicht verwenden. Denn: Die „klassischen“ Medien – Zeitungen etwa, auf die sich diese Schuldzuweisung hauptsächlich bezieht – können Entwicklungen in der Gesellschaft höchstens verstärken und nur scheinbar grundsätzlich „machen“ – dazu gibt es eine Vielzahl an Studien.

Außerdem sind sie eben nur die Boten. Das heißt: Es muss zumindest im Ansatz eine Grundstimmung, eine Tendenz vorhanden sein, ein darauf beruhendes Interesse etwa eines Politikers oder einer Lobbyorganisation, auf die sich – zugegeben – vor allem Boulevardmedien und soziale Netzwerke gerne stürzen und damit einen Trend vielleicht, oder auch: im schlechtesten Fall, verstärken. Denn die „klassischen Medien“ abseits der sozialen Netzwerke sind Business-orientierte Unternehmen, deren Quantität der Verbreitung entscheidend für ihre Einnahmen aus Werbung und Verkauf ist. Sie werden nichts gegen ihre Leser, Hörer oder Seher, gegen ihre Zielgruppen tun. Dass „Zwangsbeglückung“ in medialen Kampagnen nicht funktioniert, haben große Medien im deutschen Sprachraum in den letzten Jahrzehnten leidvoll erfahren. Anmerkung: Twitter, Facebook, Instagram & Co sind natürlich ein eigenes Thema, aber auch nicht wirklich Zielscheibe der „Schuldzuweiser“.

Also, klar ist: Das Dickicht auf uns hereinbrechender Informationen, Gedanken und Meinungen führt im Kurzschluss allzu oft zu gern geübter Verurteilung der Medien. Da heißt es dann so gern: Medien sollen doch Politik und Gesellschaft beobachten und kritisch prüfen, sozusagen als „Rückgrat der politischen Öffentlichkeit“ – also das alte Postulat des Philosophen Jürgen Habermas wird hervorgeholt. Ein idealistischer Anspruch, der leider in Zeiten der genannten vielen Informationskanäle mit der Realität wenig zu tun hat. Abgesehen davon steht diesen hehren Werten, einer lebendigen Demokratie zu dienen, das notwendige ökonomische Interesse des Medien-Business gegenüber, also Quoten, Auflagen und Werbeerlöse.

Noch zwei Gedanken zum Schluss. Natürlich weiß ich, dass Vieles manipulativ erscheint, weil es aus dem Zusammenhang gerissen transportiert wird. Es ist eben so: In der Kürze liegt die Würze, in der Verkürzung die Gefahr. Gerade die Fernsehinformation ist hier besonders „anfällig“ und die Poster in den sozialen Medien „arbeiten“ gern mit dieser Verkürzung, um ihrem Anliegen mehr Gewicht zu verleihen – wollen sie doch Influencer sein. Wer mehrere Medien konsumiert, wird auf diese Tatsache schnell draufkommen. Frei nach Aristoteles, der in seiner „Nikomachischen Ethik“ formuliert: „Ein kluger Mensch ist derjenige, der weiß, was für ihn gut und nützlich ist und der die rechten Mittel kennt, um sein Ziel zu erreichen.“ Diese „rechten Mittel“ sind im Hier und Heute der Medienwelt leicht definiert: Nicht bloß einer Quelle, einem Medium, einer Information vertrauen.

Und schließlich: Die Philosophie-Zeitschrift „Hohe Luft“ hat einmal einen Beitrag über Medienkritik mit dem Titel „Tötet nicht den Boten“ überschrieben und gefordert: „Macht euch lieber bewusst, was ihr von den Medien erwarten könnt und was nicht. In Zeiten der Informationsflut auf allen Kanälen ist das wichtiger denn je.“

gerfri - 08:39 @