KULTUR und  LEBEN
PLATTFORM ZUM WEITERDENKEN


Leben

Reden wir an dieser Stelle ein wenig über das Leben, über unsere Gesellschaft und Zukunft, über drei grundsätzliche Fragen, die wir uns stellen müssen: Ist alles tatsächlich so wie es auf den ersten Blick scheint? Was könnte sich aus dem, was heute bereits rund um uns erkennbar ist, entwickeln, in unserem Leben bevorstehen? Wie kann ich, soll ich mein Leben gestalten? Hier finden sich Denkanstöße, keine Lehrmeinungen, keine Feststellungen aus Expertenwissen heraus, sondern ganz einfach Beiträge, die zum Nach- und Weiterdenken anregen sollen.


14.08.2020

Medien, Teil 2: Traum und Wirklichkeit

Ich gebe es ja zu: Man wundert sich manchmal, welcher und wieviel Unsinn in den Medien erzählt wird. Und ich meine explizit auch die „klassischen“ Medien – Zeitungen, Magazine und Fernsehen. Wenn ich im ersten Teil meiner sommerlichen Medien-Kurzserie die „alternativen Fakten“ unter die Lupe genommen habe, so will ich diesmal doch Einiges aus der täglichen Absurditätenkiste der Medien zurechtrücken – abseits natürlich der bewussten Manipulationen, der – meist aus der Politik – gezielt gestreuten Fake News (bei denen natürlich zu Recht die Frage gestellt werden kann: Weshalb machen da einige Journalisten mit?).

Wo ich in der Medienlandschaft gar nicht den von den Medienkonsumenten so gern geträumten Traum der Wahrhaftigkeit der Information der brutalen Wirklichkeit des Funktionieren der „Massenkommunikation“ gegenüber stellen will, sind die sozialen Netzwerke – Twitter, Facebook, auch Instagram oder YouTube und all die anderen, kleineren. Denn dort ist Wildwuchs ohnehin an der Tagesordnung, mangelt es an Kontrollmechanismen (abgesehen von halbherzigen Aktionen von Twitter oder Facebook gegen Falschmeldungen, Antisemitismus oder Hass-Postings). Nein, bleiben wir doch bei den althergebrachten Medien.

Da wird vielleicht dem/der Einen oder Anderen aufgefallen sein, dass ich im ersten Absatz nur von „Zeitungen, Magazinen und Fernsehen“ geschrieben habe. Wo sind die Zeitschriften, wo ist das Radio? Die Zeitschriften – und für mich sind damit die ernsthaften, informativen Publikationen gemeint (im Gegensatz zu den Magazinen – ja, ich mache diese Unterscheidung) – und der Hörfunk sind grosso modo Medien, in denen meist sehr ordentlich, man könnte auch sagen: traditionell, gearbeitet wird. Also mit Recherche, Gegencheck einer Information, vernünftiger Formulierung und alles, was man sonst noch gerne von „gutem Journalismus“ erwartet.

Das Dilemma von Zeitungen, Fernsehen und Magazinen: Sie hecheln ihrem Business-Anspruch so sehr hinterher, dass ihre Qualität leidet. Denn eines darf bei aller Medienkritik nicht vergessen werden: Die so gern ins Treffen geführten Ansprüche, die Medien sollen Kontrolleure von Politik/ Wirtschaft/ Gesellschaft sein und vor allem sollen die Medien ethischen Prinzipien folgen, sind einem fast übermächtigen Zwang ausgesetzt – sie müssen kommerziell erfolgreich sein. Verluste schreiben kann eine Zeitlang möglich sein, auf Sicht gesehen aber geht das nicht – außer ein finanzkräftiger „Sponsor“ leistet sich den Luxus eines Mediums. Dort aber lauert die nächste Gefahr: Dieser Financier wird in irgendeiner Weise versuchen, seine Gedankenwelt, seine Ideologie, seine Wunschvorstellungen „unter die Leute“ zu bringen.

Also, die Quintessenz: Das Medien-Business folgt den üblichen Gesetzen der Wirtschaft – die Nachfrage regelt das Angebot, Geld schlägt Ethik. Aber das kennen wir ja aus anderen Branchen. Dass Ethik und einst hochgehaltene journalistische Prinzipien wie Recherche und Gegencheck (ganz abgesehen von vernünftiger Formulierung) dabei unter die Räder kommen, ist sehr, sehr bedauerlich, aber leider eine Tatsache. Da spielt auch die Ausdünnung der Redaktionen eine erhebliche Rolle. Wie überall sind auch im Mediensektor die Personalkosten ein schwerwiegender Faktor. Wer dort einspart erhöht die Produktivität, geht das zu Lasten der Qualität, mag das in anderen Wirtschaftsbereichen unangenehm oder ärgerlich sein, im Medien-Business bedeutet das, zugegeben, oft Fehlinformation durch mangelndes Können „billiger“ Mitarbeiter oder vor allem durch Zeitdruck.

Wenn in meiner journalistischen Anfangszeit, etwa vor fünf Jahrzehnten in einer Wirtschafts- oder Lokalredaktion einer größeren Tageszeitung noch zehn angestellte Redakteure plus einige freie Mitarbeiter am Werk waren, muss es heutzutage mit der Hälfte gehen – wenn überhaupt. In Deutschland werden Praktikanten oft mit Null-Entlohnung ausgenützt, viele freie Mitarbeiter arbeiten in unseren Ländern um Honorarsätze, für die ein Handwerkermeister nicht einmal zur Baustelle käme.

Weniger Mitarbeiter heißt aber auch: Jeder hat weniger Zeit, um einen Artikel zu recherchieren und zu schreiben. Die Qualität leidet. Und wenn der Ruf nach Kontrolle durch die „Chefs“ ertönt, dann muss festgestellt werden: Ja, die sollte sein, doch auch die Chefs stehen unter Zeitdruck und angesichts der digitalisierten redaktionellen Produktion kommt etwa in Zeitungen Vieles direkt ins Blatt und die Kontrolle kann nur im Nachhinein erfolgen.

Der Traum von der anspruchsvollen journalistischen Arbeit wird vielerorts von der Wirklichkeit wirtschaftlicher und personeller Gegebenheiten abgelöst. Leider. Das betrifft natürlich ebenso die Berichterstattung im Fernsehen. Und alle „klassischen“ Medienbereiche stehen obendrein unter dem Druck des 24-Stunden-Internets, denn das gibt den ständigen Takt vor – anders als noch bis Ende des 20. Jahrhunderts, wo Redaktionsschlüsse die Arbeit begrenzten. Heute ist solch ein Redaktionsschluss nur ein kurzer, produktionstechnisch erforderlicher Zwischenstopp, denn das Informations-Business geht auf allen möglichen Plattformen im Internet unaufhörlich weiter.

Bevor ich mir jedoch die Kritik einhandle, zu verständnisvoll mit den Nöten und Zwängen der Journalisten umzugehen, eine notwendige Anmerkung: Bei allem Verständnis für die – nur zu einem Teil geschilderten – Probleme journalistischer Arbeit verurteile ich, aus „besseren Medienzeiten“ herkommend, ganz strikt die Fahrlässigkeit und das mangelnde Verantwortungsbewusstsein, mit denen leider etliche Medienleute ihre Arbeit erledigen. Trotz Zeit- und wirtschaftlichem Druck sollte doch in irgendeiner Weise das Bewusstsein vorhanden sein, was mit einer Medienbotschaft, also etwa einem Beitrag oder einem Interview, bewirkt wird. Ethisches Verständnis heißt das, und es ist bei einem guten Teil der Journalistik nach wie vor trotz allem vorhanden.

Aber den Konsumenten der Medien wird daher eine Aufgabe nicht abgenommen: Nämlich sehr genau zu prüfen, auf welches Medium man sich „einlässt“. Und: Den oft vorhandenen eigenen Traum von der wahrhaftigen medialen Information der Wirklichkeit gegenüber zu stellen.

Es folgt in den nächsten Tagen noch ein dritter Teil meiner Medien-Betrachtung. Reaktionen und Kommentare dazu gerne an office@kulturundleben.net

gerfri - 10:16 @